Mineralquelle

Die Mineralquelle in Praden

«Vorzügliches, appetitanregendes Tafelwasser» 

Beim Stutz in Praden, wo der Güterweg in den Boden von der Tschiertscherstrasse abzweigt, ist ein Wegweiser: «Mineralquelle». Was soll das nur bedeuten? Genau das, was drauf steht! Hier geht’s zur Mineralquelle Praden. 

Schon nach wenigen Schritten wieder links abzweigen, plessurwärts bis zum Waldrand. Diesem nach rechts folgen und nach 50 Metern kommt auch wieder ein Wegweiser. Abwärts in den Wald hinein führt uns ein Weglein im Zickzack zur Quelle. Dieses wurde vor ein paar Jahren in Stand gestellt und ist, abgesehen von ein paar quer über den Weg liegenden Baumstämmen, noch gut begehbar. Auf kleine Kinder jedoch aufpassen! Nach einem Abstieg von etwa 150 Höhenmetern endet der Weg und wir stehen vor der Mineralquelle Praden. Fast wie auf einem Balkon, mit Blick in die Tiefe bis zur Plessur. Mit etwas Glück zeigt sich auch noch ein rotes Bähnchen auf dem Viadukt, bevor es in den nächsten Tunnel entschwindet.

Das Wässerchen ist in einem Rohr gefasst und plätschert nach dem Austritt frei und ungenutzt über teils schroffe Felsen zur Plessur. Der Boden um den Quellaustritt ist rostrot verfärbt, da muss irgendwie Eisenoxid im Spiel sein. Jetzt aber zur Degustation: auch hier ein deutlicher Nachgeschmack nach Eisen und eine schwache Note «faule Eier». Eine Einwohnerin von Praden soll es treffend auf den Punkt gebracht haben: «gruusig, aber guet.» 

Ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten zwei Rückwanderer aus Amerika, Jakob Lyss und Christian Clement zusammen mit Philipp Lys, dem Erbauer des Kurhauses, das Mineralwasser wirtschaftlich zu nutzen und füllten es ab. Jakob Lyss soll die Quelle für hundert Franken von der Gemeinde erworben haben. Aus dieser Zeit existieren noch einige Flaschen und Etiketten mit der Aufschrift: «Pradner Natron Säuerling, analysiert von Dr. G. Nussberger, Kantonschemiker in Chur. Als vorzügliches appetitanregendes Tafelwasser bestens empfohlen. …» Die Analyse von Nussberger stammt aus dem Jahre 1899 und stimmt verblüffend gut überein mit der Untersuchung vom August 1992, durch das Chemische Laboratorium des Kantons Graubünden. Gemäss dieser handelt es sich beim Prader Wasser um ein nach Eidg. Lebensmittelverordnung (LMV) natürliches Mineralwasser, bikarbonathaltig, Säuerling. Mit einer Gesamtmineralisation von 1385.5 mg/l wird gar die Passugger Theophilquelle (1282.8 mg/l) übertroffen. 

Dennoch gab es nur ein kurzes Strohfeuerchen und die Quelle hat wohl niemanden reich werden lassen. Es ist belegt, dass Kuren für Patienten mit Blutarmut angeboten wurden. Ihnen wurde «Prader Natron Säuerling» und Ziegenmilch empfohlen. Über den Ansturm auf diese Kuren ist leider nichts bekannt. Damals wie heute musste das Wasser von der Quelle mühsam ins Dorf hinauf geschleppt werden. Dieses Problem wäre allenfalls mit Leitung und Pumpe, oder vor hundert Jahren eher noch mit dampfgetriebener Seilwinde irgendwie technisch lösbar. Der eigentliche Grund, weshalb eine wirtschaftliche Nutzung ausser Frage steht, ist aber die mit 0.55 Litern in der Minute doch sehr bescheidene Schüttung. Das lässt nicht mal in Traum an eine Abfüllanlage denken, wie sie in Passugg steht. 

Sei’s drum! Mehr als einen halben Liter pro Minute kann ich schliesslich auch nicht trinken. Ein spannender Spaziergang ist es allemal und wer nicht an die gesundheitsfördernde Wirkung des Wassers glaubt, hat mit dem Wiederaufstieg doch immerhin seinen Kreislauf gehörig in Schwung gebracht. 

Ruedi Müller in Mitteilungen 8, Pro Tschiertschen-Praden, Juli 2015